Feinstaub 0711

Application Design, Social Design, Citizen Science, Open Data, Data Visualization

Feinstaub 0711 ist eine App zur Erfassung der Feinstaubproblematik Stuttgarts. Die immer größer werdende, bundesweite Problematik der Luftverschmutzung, stellt bis heute ein aktuelles Thema dar und betrifft jeden, denn Luft ist ständig um uns herum und wir brauchen sie zum Atmen. Durch die mangelnde Erfahrbarkeit der Informationen, der Auswirkungen und des Wissens rund um den unsichtbaren Feinstaub ist es schwierig die Problematik in ihrer Reichweite zu erfassen. Wir bewegen uns an unterschiedlichen Orten, deshalb ist es besonders wichtig ein Werkzeug an der Hand zu haben, womit die Feinstaubbelastung mobil dokumentiert werden kann. Mithilfe des Smartphones und der App kann zu jeder Zeit gemessen werden, somit ist jeder Teil der Datenerfassung und trägt zur Informationslage bei. Durch die Visualisierung der Belastung, der Navigation, welche hilft dem Feinstaub auszuweichen und dem Protokoll der eigenen zurückgelegten Wege, soll ein Bewusstsein bei jedem Einzelnen geschaffen werden. Das Projekt verschafft Betroffenen eine Stimme, klärt Unwissende auf und zeigt Auswirkungen auf die Umwelt und die Gesundheit. Ziel ist es, Daten zu sammeln und zu visualisieren, damit Klarheit und Verständnis für die akute Problematik geschaffen wird.

Abstract

Bereits im Jahr 2015 schrieb die FAZ, dass Stuttgart im Kampf gegen den Schadstoff in der Luft als bundesweit erste Stadt künftig den Feinstaub-Alarm ausruft. [1] Dies zeigt die immer größer werdende bundesweite Problematik der Luftverschmutzung, die bis heute ein aktuelles Thema darstellt. Durch die mangelnde Erfahrbarkeit der Informationen, der Auswirkungen und des Wissens rund um den unsichtbaren Feinstaub ist es schwierig, die Problematik in ihrer Reichweite zu erfassen. Die Welt schrieb im Januar dieses Jahres, dass die Feinstaubwerte momentan sogar höher liegen, als im oft von Smog gebeutelten Peking. Tückisch sei dies für die Bürger von Stuttgart die zunächst kaum die schädlichen Wirkungen der Partikel bemerken. [2] Aus diesem Grund beschäftigt sich die Bachelorthesis mit dem Aufzeigen der weitreichenden Folgen, Auswirkungen und Zusammenhänge der Feinstaubproblematik.

Ist-Analyse

Das Thema Luftreinhaltung bewegt die Stadt. Niemals zuvor wurde so intensiv über die Belastung in der Luft diskutiert, wie im Jahr 2016. »Wir wollen die Lebensqualität in der Stadt verbessern. Dabei haben wir die Gesundheit aller zu schützen und gleichzeitig ihre Mobilität zu sichern. [...]. Wir können das Thema nicht unter den Teppich kehren [3]

Meinungen

Das Thema Feinstaub ist eine emotional geladene Debatte. Eigentlich möchte Stuttgart ein Umdenken bewirken, doch die Feinstaubwerte bleiben weiterhin schlecht. Genau so wie die Problematik selbst spalten sich die Meinungen der Bürge in unterschiedliche Richtungen. Es gibt die eine Partei, die den Feinstaub produziert und die andere die der schlechten Luft täglich ausgesetzt ist.

Erfahrbarkeit

Erinnerungen, gelerntes und erlebtes bilden einen Teil des menschlichen Erfahrungsschatzes. Wir erleben und erfahren in vielerlei Situationen des Alltages, zu einem Teil jedoch unbewusst. Um Nachrichten, Aussagen zu transportieren und dadurch Bewusstsein zu schaffen, ist das bewusste Erfahren wichtig. Erfahrbarkeit bedeutet innerhalb der Feinstaubproblematik Informationen so aufzuarbeiten, dass sie begreifbar werden.

Behaviour Change Strategies

»Gewohnheiten bestimmen unser Leben, ob wir wollen oder nicht. Manche erleichtern den Alltag, andere sind lästig oder schaden uns.« [4]
Innerhalb unserer Recherche haben wir uns mit unterschiedlichen »behaviour change strategies« auseinandergesetzt. Im Prinzip beschreiben alle Strategien im Kern den gleichen Ansatz, denn durch sie können Designer besser verstehen, warum Nutzer verschiedene Entscheidungen treffen und nicht rational denken.

Zukunftsszenario Mobilität

Was wäre wenn?
Die Hauptfaktoren der Feinstaubproblematik bilden Mensch und Mobilität. Anhand dieser Schnittstelle haben wir die vorherrschende Situation in die Zukunft skaliert und Szenarien skizziert. Wie könnte sich die Mobilität und das menschliche Fortbewegungsverhalten verändern und wie würden sich diese Veränderungen auf die Feinstaubsituation auswirken? Damit wir mögliche Einflussfaktoren ermitteln können, stellten wir die Schnittstelle Mensch-Mobilität in den Mittelpunkt und analysierten das Umfeld in Bezug auf gesellschaftliche Einflüsse, Entwicklungen, Begebenheiten des Marktes und individuelle Parameter, wie die Lebenssituation des Einzelnen.

Themeninseln

Innerhalb der Recherche wurden drei Themeninseln identifiziert, die für das Projekt maßgebend sind: Mobilität, Erfahrbarkeit und Behaviour Change. Wir sprechen eine aktuelle Problematik an und möchten für die momentane Situation eine Lösung bieten, deswegen beziehen wir uns auf bereits vorhandene Möglichkeiten innerhalb der Themeninseln sowie auf Einflüsse die sich in nächster Zeit etablieren werden. Der Fokus, den wir innerhalb der Problematik setzen wollen, liegt in der Erfahrbarkeit. Bewusstsein und Wissen für und um die Thematik Feinstaub zu schaffen, bedeutet sämtliche Informationen so aufzubereiten und darzustellen, damit sie begreifbar und für jeden zugänglich werden.

Top Findings & Ziele

Aus der Visualisierung und der Interaktion ergibt sich die Erfahrbarkeit. Mittels eines ansprechend gestalteten Interfaces wollen wir im ersten Schritt Aufmerksamkeit erreichen, zur Nutzung bewegen und diese durch einfache anwendungsspezifische Interaktionsprinzipien aufrechterhalten. Alle dargestellten Inhalte sollen bestmöglich verstanden und gelesen werden können, damit die Thematik besser erklärt wird. Mit der Nutzung entsteht ein Bewusstsein, die dabei hervorgerufenen Emotionen bilden den möglichen Grad der Handlung. Obwohl nicht abschätzbar ist wie groß oder klein die Auswirkungen sein könnten, kann ein Anstoß gegeben werden, damit eine Änderung stattfinden kann.

Vision

Die Vision mithilfe der Erfahrbarkeit etwas zu bewirken bringt die Frage auf, an welchem Punkt wir als Gestalter mit unserem Projekt ansetzen können und wollen? Herausgestellt haben sich dabei drei Hierarchieebenen, welche von unten nach oben jeweils in ihrem direkten Einfluss und den damit verbundenen Auswirkungen und der Zahl der Involvierten steigen.

Ideensprints: Feinstaub-App

Innerhalb einer App sollen die Nutzer dazu aufgefordert werden ständig Feinstaubwerte zu messen. Auf diese Weise können sie jeder Zeit die Belastung in ihrer Stadt beobachten und sensibilisieren sich mehr mit der Problematik in ihrer direkten Umgebung. Durch die breite Datenerfassung über das Smartphone könnte auch an Stellen, an denen keine häufigen Messungen stattfinden, zeitlich unabhängige Prognosen getroffen werden.

Minimum Viable Product

Relativ früh wurden ersten Screens zusammengefasst und innerhalb eines »Minimum Viable Products« getestet. Wichtig war es die Relevanz zu überprüfen, ob die Nutzer überhaupt daran interessiert sind die Partikel vor Augen zu sehen. Außerdem wurde das Verständnis für die Einheiten überprüfen. Die Partikel haben wir in »AfterEffects« umgesetzt, damit wir das natürliche Verhalten von beispielsweise Wind simulieren konnten. Die Screens haben wir mithilfe von »Sketch« und später für die Klickbarkeit in »Origami« aufgebaut.

DIY Feinstaubsensor

Für alle Interessierten und diejenigen, die auf die Problematik aufmerksam gewordenen sind gibt es jeden Monat die Möglichkeit selbst bei einem Treffen zusammen mit dem OK-Lab zur Dokumentation der aktuellen Belastung beizutragen. Ein simpler Bausatz kann innerhalb kürzester Zeit zusammengesteckt und konfiguriert werden. Ist der Sensor dann mit dem eigenen WLAN-Netzwerk verbunden, kann im Minutentakt die Belastung aufgezeichnet werden. Für uns und unsere Arbeit war das Bauen des Feinstaubsensor eine wahnsinnige Bereicherung, da auch uns das Verständnis für die Messung von Feinstaub fehlte und wir dadurch viel gelernt haben und in unsere Entwicklung der App mit einfließen lassen konnten.

Design Principles

Aus den Opportunity Areas und den ersten Erprobungen leiteten wir die Design Principles ab. Dies waren maßgebend für die weitere Gestaltung der Varianten und der daraus resultierenden Umsetzung der Screens.

Wireframing

Um letztendlich ein passendes Bedienkonzept zu erarbeiten, wurde nach der Informationsarchitektur mit den Wireframes begonnen. Elemente von Hand aufzuskizzieren war zu diesem Zeitpunkt eine schnelle Möglichkeit einen Eindruck davon zu bekommen, welche Inhalte, welchen Platz benötigt.

Belastungskarte

Die Belastungskarte steht im Fokus und zeigt an welche Stellen, welche Belastungen vorherrschen. Die Skala gibt Aufschluss darüber, wie die Farben zu lesen sind und wo die aktuelle Belastung einzuordnen ist. Zusätzlich zur Belastung sind aktuelle Wetter und Windverhältnis dargestellt. Über die Standortfunktion wird auf der Karte zum aktuellen Standort navigiert und mittels Markierung gekennzeichnet.

Detailinformationen

Über die Pins auf der Karte können im Steckbrief weitere Informationen eingesehen werden. Der Steckbrief beinhaltet an der Stelle gemachte Fotos, Werte, Diskussionsbeiträge sowie einen Tagesverlauf und die Auswirkungen der Belastung.

Prognose

Über die Prognosefunktion kann gesehen werden wie sich die Belastung in nächster Zeit entwickeln würde. Eine Zeitspanne kann ausgewählt werden und die darin stattfindenden Veränderungen werden dargestellt. Zu späteren Stunden in der Prognose verändert sich die Farbigkeit der Belastungsdarstellung und signalisiert den »Night-Modus«.

Navigation

Die Navigation hat die Funktion die am wenigsten belasteten Routen aufzuzeigen, abhängig vom aktuellen Standort oder manueller Start- und Zieleingabe. Das Navigationspanel gibt abhängig vom aktuellen Standort eine Empfehlung, in welcher Richtung momentan eine geringere Belastung vorliegt. Innerhalb der Navigation können gezielt Start- und Zielpunkt eingegeben werden.

Auswahl der Fortbewegungsart

Unterschiedliche Fortbewegungsarten bringen unterschiedliche Konsequenzen mit sich. Bei Auswahl einer Fortbewegungsart, wird separat aufgezeigt, welche Konsequenzen diese hat und welche Alternativen es gibt.

Wege

Anhand der Wege soll nachvollzogen werden, welchen Belastungen man auf den zurückgelegten Strecken ausgesetzt war. Das Wegpanel zeigt eine Schnellansicht über die letzte Strecke und wie die Belastung durchschnittlich war. Innerhalb der Wegefunktion können detailliertere Informationen eingesehen werden. Wie war die durchschnittliche Belastung, wie viel habe ich selbst an Feinstaub produziert und wie viel habe ich eingeatmet?

Feinstaub messen und dokumentieren

Über die Toolbar kann die Fotofunktion aufgerufen werden, die es ermöglicht an Ort und Stelle Belastungen und Situationen zu dokumentieren. Entsprechend der Belastung wird das Foto eingefärbt und verdeutlicht somit die Einstufung der Belastung. Zusätzlich können Partikel angezeigt werden, welche der Belastung entsprechend symbolisch aufzeigen sollen, wie die Partikel um einen herum schweben.
Mithilfe des »CaptionBot« wird das Bild analysiert und mit einer blau eingefärbten Fläche angezeigt, an welcher Stelle der momentanen Ansicht, ausgelöst werden soll. Das getätigte Foto wird zusammengefasst und kann dann zur Karte hinzugefügt werden.

Sparkassenstiftung Ostalb Hochschulpreis 2017

Die Hochschule für Gestaltung Schwäbisch Gmünd nominierte die Arbeit »Feinstaub 0711« im Wettbewerb »Hochschulpreis 2017« der Sparkassenstiftung Ostalb.

Projektbeteiligte

Die Bachelor-Thesis entstand im Sommersemester 2017 an der Hochschule für Gestaltung in Schwäbisch Gmünd und wurde im Team zusammen mit Patrick Hannussek angefertigt.